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Kapitel 5

Die Crozet-Inseln (Seite 4)
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Am Abend des 08.01. (Der Tag unserer Ankunft in der Stationsbucht) verließen wir also die Bucht aus den beschriebenen Gründen. Ca. 6 nm nördlich der Stationsbucht sind wir in die Baie Americaine gefahren (siehe rote Linie auf der Karte unten). Wir gingen vor Anker und übernachteten in der ruhigen Bucht. In der Nacht hörte man vom Ufer die Schreie der Pinguine und auch die Geräusche von See-Elefanten. Am nächsten Tag wollten wir an den Strand fahren und uns die Tiere aus der Nähe ansehen, doch die Geschehnisse sollten sich überschlagen...

Ile de la Possession
(die verschiedenen Farben markieren unterschiedliche Tage)


Am Morgen des 09.01. verschlechterte sich das Wetter dramatisch. Es fing an zu regnen und der Wind frischte auf und dreht auf Richtung E-N-E, also genau in die Bucht hinein. Wir lagen immer noch vor Anker in der Baie Americaine. Die Schwell (das vom Wind hereindrückende Wasser erzeugt Wellen, die Schwell) in der Einfahrt zur Bucht nahm bedrohlich zu und noch bevor wir die Bucht verlassen konnten erwischte und eine riesige Welle genau seitlich. Ein unglaublicher Schlag ! Ich war gerade unter Deck als die Welle einschlug. Alle Sachen in der Küche sind aus den Regalen geschleudert worden, ein heilloses Durcheinander.
Gerd schaffte es gerade noch, unter vollem Maschineneinsatz aus der Bucht zu kommen, den Anker hinterher ziehend..! Die Welle erwischte uns ja, als wir den Anker noch draußen hatten. Die Wucht war so stark, dass die Ankerführung am Bug komplett zerstört wurde, einfach auseinander gerissen! Die schwere Ankerkette nun nicht mehr mit Hilfe einer Führungsrolle zu bergen war eine unbeschreiblich schwere Arbeit, aber irgendwie haben Dirk und ich es geschafft. Nach 1 Stunde harter Arbeit war der Anker geborgen und wir beide körperlich ausgelaugt...
Selbst der Anker war um 90 Grad verbogen und wir mussten den Reserveanker montieren.
Als wir die Baie Americaine verließen, erwartete uns vor der Bucht heftiger Wind. Dieser steigerte sich sehr rasch auf eine Stärke von ca. 10 - 11 bf. ! (starker Sturm). An Segeln war bei dieser Stärke gar nicht zu denken und so fuhren wir unter Maschinen gegen den Uhrzeigersinn in nördlicher Richtung an der Küste entlang, um auf der Westseite vor dem Oststurm Schutz zu suchen. (siehe gelbe Linie in der obigen Karte).

Auf der gesamten bisherigen Reise wurden wir ja von Stürmen verschont, aber nun erwischte es uns richtig heftig ! Die Wellen erreichten sagenhafte Höhen und das Schiff schaukelte in bisher nie erreichtem Ausmaß (Bild rechts). Mich überrollte ein Gefühlsmix aus Angst, Abenteuerlust und Durchhaltewillen. Der Aufenthalt an Deck war wirklich ungemütlich, bei Temperaturen um die 0 Grad Celsius (!) und Regen hielt sich jeder nur so lange draußen auf wie nötig. So fuhren wir unter Maschinen an der Nordküste entlang und erreichten gegen Mittag die südwestliche Ecke der Insel. Es war klar, dass die rauhe Westseite der Insel keine Bucht zum Ankern bot und somit blieb nichts anderes übrig, als an der Küste zu kreuzen (Bild links). Im Laufe des Tages versuchten wir noch einmal zu der Stationsbucht zu gelangen, aber als wir die südöstliche Ecke der Insel erreichten und die Einfahrt zur Bucht erkennen konnten, stand die Schwell dort Meterhoch und die Wellen brachen sich. An ein Einfahren war nicht zu denken. Auch vom Transportschiff Marion Dufresne war nichts zu sehen.


Gegen Abend nahm der Wind noch an Stärke zu und erreichte mit 12 bf. Orkanstärke ! Meine Abenteuerlust wich unausweichlich der Angst und die Urgewalten der Natur zeigten sich mir in nicht gekannter Stärke. Aus der Entfernung konnten wir in der Dämmerung dann auch die "Marion-Dufresne" erblicken. Auch dieses große 100Meter-Schiff musste aufgrund des Orkans vor der Küste kreuzen und konnte nicht in die Bucht einlaufen. Die "Brüllenden Vierziger" zeigten nun ihr unbarmherziges Gesicht. Es wurde dunkel, was die Situation verständlicher Weise nicht einfacher machte (Bild rechts). Als Orientierung hatten wir nur noch die Lichter der Station Alfred Faure. Die Wissenschaftler dachten wohl auch an uns, und ließen die hellen Lichte der großen Gemeinschaftshauses in der Nacht brennen. Mein Gott, ich wünschte mich unter diesen Verhältnissen so sehr in die sichere Station dort oben auf dem Hügel, dennoch war sie unerreichbar...
Der Wind drehte gegen 21.00 Uhr von nordöstlichen Richtungen auf West und es wurde zunehmend schwieriger, das Schiff in der Nähe der Insel zu halten.


Bei desem Verhältnissen war ein warmer Tee aus der Thermoskanne eine willkommene Wohltat und ich konnte mich kurz ein wenig aufwärmen (Bild links). In der Nacht zum 10.01 konnten wir das Schiff nicht mehr an der Ile de la Possession halten und trieben Richtung Osten ab. In ca. 7 nm Entfernung liegt die östlichste Insel der Crozet-Gruppe, die Ile de l`Est. Noch in der Nacht erreichten wir die unwirkliche Insel und fuhren unter Maschinen entlang der Küste, auf der Suche nach einer geschützten Stelle (siehe die gelbe Linie auf der Karte unten).
Wir fuhren um die östliche Seite der Insel, aber es war nirgends eine Stelle zu finden, an der der Orkan nicht wütete. So musste Gerd das Schiff die ganze Nacht hindurch im Dunkeln an der Küste entlang steuern. An Schlaf war überhaupt nicht zu denken, zum einen, weil wir natürlich alle unter enormen Stress standen, zum anderen ist es auch viel zu laut gewesen, denn die Wellen schlugen unbarmherzig gegen unser Schiff. Es krachte, als ob jemand mit einem Vorschlaghammer gegen die Wände hämmerte. Im Morgengrauen des 10.01. fanden wir an der Nordseite der Ile de l`Est eine Bucht, die uns wenigstens etwas Schutz bot, doch die enormen Fallwinde von den steil abfallenden Hängen machten ein Ankern unmöglich. So mussten wir auch am 10.01 den ganzen Tag über an der Nordostseite der Ile de l`Est kreuzen (siehe dunkelgrüne Linie auf der Karte unten). Der Orkan ließ nicht nach und es stand wieder eine Sturmnacht bevor.

Die Ile de l`Est

(die verschiedenen Farben markieren unterschiedliche Tage)



Im Morgengrauen des 11.01. ließ der Wind endlich ein wenig nach (10 bf.). In der Bucht an der Nordseite der Ile de l`Est konnten wir einige Stunden ankern. Gerd hatte die ganze Zeit ja auch nicht geschlafen und legte sich für ein paar Stunden hin. Das Bild, wie er aussah, als er wieder aus seinem Steven kam möchte ich hier gar nicht beschreiben...
Wir planten, nun aus dem Windschatten heraus zu fahren und wieder zurück zur Ile de la Possesseion zu gelangen, um dort ein Lebenszeichen von uns abzugeben und einen Ankerplatz zu suchen, um uns von den enormen Strapazen zu erholen. Aufgrund der zerstörten Ankerführung wurde das Ankerbergen wieder zu einer Tortur. Meine Hände waren danach kaum mehr zu gebrauchen und schmerzten (Bild links). Das linke Bild zeigt Dirk, wie er am Morgen des 11.01 den Sposmoker vor der Ile de l`Est steuert.


Der Orkan hatte zwar nachgelassen, aber von den Hängen der Ile de l`Est erwischten uns immer wieder starke Fallwinde (Bild links). Zu allem Übel fiel unsere Steuerbordmaschine auch noch aus. Wir hatten somit nur noch eine Maschine zum Navigieren. Die Sturmfock wurde aufgezogen und wir versuchten die Ile de la Possession zu erreichen. Nach vier vergeblichen Versuchen gelang beim fünften Mal der Anlauf und wir kreuzten 4 Stunden gegen den immer noch sehr starken Wind in Richtung West (siehe orangene Linie in der Karte "Ile de l`Est" oben).
Als wir nach der Überfahrt am Nachmittag des 11.01. die Einfahrt die Stationsbuch erblicken konnten, standen wir vor der nächsten Herausforderung...